Umsonst? Zuschanden geworden ihr Traum und Tod? Es kann so nicht sein

Thomas Mann schrieb diesen Satz 1954 in dem Vorwort zu dem Buch „Letzte Briefe zum Tode Verurteilter aus dem europäischen Widerstand“, die Luigi Nono zur Grundlage seiner Komposition „Il Canto Sospeso“ machte.

Zehn Abschiedsbriefe

Liebe Mama, lieber Bruder, liebe Schwester.

Ich sterbe für eine Welt, die mit so starkem Licht, solcher Schönheit strahlen wird, daß mein eigenes Opfer nichts ist. Millionen von Menschen sind für sie auf den Barrikaden und im Krieg gestorben. Ich sterbe für die Gerechtigkeit. Unsere Ideen werden siegen.

Anton

Anton Popov
26 Jahre, Lehrer und Journalist. Stammt aus einer Familie politisch Verfolgter, veröffentlichte Erzählungen und Gedichte. Er wurde am 23. Juli 1943 in Sofia füsiliert.

Liebe Mama, Papa und Schwesterchen.

Wir sterben als Männer für das Vaterland. Ich leide durchaus nicht und darum ich will auch nicht, dass Ihr leidet. Ich will keine Klagen und keine Tränen. Habt Geduld. Ich wünsche Euch, dass Ihr glücklich seid und Euch meinetwegen nicht betrübt. 
Lebe wohl Griechenland, Mutter der Heroen  

Lefteris 

Elefthèris Kiossès
19 Jahre alt, Griechenland, Student der Literatur und Philosophie wurde am 5. Juni 1942 in Kessariani als Geisel erschossen. 

Papa, 

Sie bringen mich nach Kessariani für die Hinrichtung zusammen mit sieben anderen Verhafteten. Ich bitte Dich, verständige ihre Familien. Betrübe Dich nicht. Ich sterbe für die Freiheit und das Vaterland.

Andreas 

Andreas Likourinos
14 Jahre alt, Schüler, geboren in Kallithea/Athen. Ohne Prozeß am 5. September 1943 in Kessariani füsiliert. 

Mein verehrter Vater, 

in zwei Stunden werden sie mich auf dem Platz hängen, weil ich ein Patriot bin. Da kann man nichts machen. Sei nicht verbittert, Vater, so war es mir beschieden. Auf Wiedersehen in einer anderen Welt. Ich sterbe in Gesellschaft. Lebe wohl. 

Kostas - es stand geschrieben, dass ich im April sterbe. 

Konstantinos Sirbas
22 Jahre alt, Friseur. In Gegenwart seines Vaters auf dem Hauptplatz in Trikala am 18. April 1943 gehängt. 

Meine lieben Eltern. 

Wenn der Himmel Papier und alle Meere der Welt Tinte wären, könnte ich Euch mein Leid und alles, was ich rings um mich sehe, nicht beschreiben. Vorgestern sind zwei Buben ausgebrochen, da hat man uns in eine Reihe gestellt, und jeder Fünfte wurde erschossen. Ich war nicht der Fünfte, aber ich weiß, dass ich nicht lebend von hier fortkomme. Ich sage allen Lebewohl und weine.

Chaim

Chaim
14 Jahre, Bauernsohn, Polen, geboren in Galizien. Er wurde bei einer Razzia aufgegriffen und mit Tausenden anderen jungen Juden in das Lager Pustkow gebracht und dort getötet.

Leb wohl, Mutter.
Deine Tochter Ljubka geht fort in die feuchte Erde. 

Ljubka

Ljubka Schewtzowa
Mitglied der Jugendgruppe Molodaia Gwardija (Junge Wacht) wurde von den Deutschen verhaftet und gefoltert. Am 7. Februar 1943 wurde sie, eine Woche vor der Befreiung Krasnodons, durch die SS getötet.   

Liebe Schwestern und Brüder.

Die Tore öffnen sich. Da sind unsere Mörder. Schwarzgekleidet. An ihren schmutzigen Händen tragen sie weiße Handschuhe. Paarweise jagen sie uns aus der Synagoge.
Wie schwer ist es, vom schönen Leben Abschied zu nehmen. Die Ihr am Leben bleibt, vergesst nie unsere kleine jüdische Straße. Schwestern und Brüder, rächt uns an unseren Mördern. 

Esther

Esther Srul, Polen
Im September 1942 wurden diejenigen der 10000 Einwohner von Kowel in Wolhynien, die noch nicht getötet worden waren, in die Synagoge eingesperrt, gruppenweise herausgeholt und erschossen.

Lieber Onkel, 

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Es tut mir bloß leid, nur so kurz gelebt und wenig für mein Land getan zu haben. Onkel, jetzt habe ich mich ans Gefängnis gewöhnt. Ich bin nicht allein, wir sind viele. Onkel, deswegen habe ich keine Angst vor dem Tod. Mutter soll das Geld verstecken, sonst stehlen es die Deutschen. 

Lebe wohl, Deine Nichte Irina

Irina Malozon
Mitglied der Jugendorganisation Komsomol. Irina Malozon war im Widerstand und machte Kurierdienste. Sie wurde von den Deutschen gefangen genommen und getötet. 

Nach wenigen Stunden werde ich mit Sicherheit nicht mehr sein, aber sei gleichwohl versichert, dass ich ruhig und gefasst vor dem Exekutionskorps stehen werde, so wie ich jetzt bin, wie ich es während jener zwei Tage eines Scheinprozesses war. Ich wusste,  dass das Ergebnis ein Todesurteil sein werde. Sind jene, die uns verurteilen, auch so ruhig? Sicherlich nicht. 

Eusebio

Eusebio Giambone
40 Jahre alt, Maschinensetzer. Beteiligte sich an der Besetzung von Fabriken. Am 5. April 1944 von einem Exekutionskorps der Republikanischen Nationalgarde in Turin füsiliert. 

Mein lieber Kamerad, 

Es ist mir vergönnt, mich noch von Dir zu verabschieden, was leider den meisten Menschen nicht möglich ist. Ich weiß, Du würdest, wenn es in Deiner Macht stände, mir das Schwerste abnehmen. Sei den Kindern immer das, was ich an Dir hatte, ein Kamerad. In der Hoffnung auf das Leben gehe ich in den Tod. Ich gehe im Glauben an ein besseres Leben für Euch.

Elli

Elli Voigt
32 Jahre aus Berlin. Elli Voigt kam mit der geheimen Widerstandsbewegung der Arbeiter in Berührung. Am 8. Dezember 1944 wurde Elli Voigt in Berlin - Plötzensee enthauptet.
Video Teaser

Vom Ifflandring, Oscar, Stars und Schülern

Ob Ifflandringträger Bruno Ganz, Susanne Lothar, Gian Maria Volontè, Angelica Ippolito oder Oscarpreisträger Ben Kingsley. Diese und viele andere Prominente, Theater- und Filmstars und europäische Schüler stellten sich in den Dienst der Briefeschreiber. Niemand sollte sie je vergessen. So entstanden zahlreiche Sprachfassungen des Videos, um die Briefe möglichst weltweit am Leben zu erhalten.

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